– Fast eine Zeitreise ins Mittelalter: Ein Abstecher zur Wolfskirche bei Bosenbach –

Im Tal des gleichnamigen Bachs zwischen Bosenbach und seinem westlichen Ortsteil Friedelhausen befindet sich ein Bauwerk, das ebenso unscheinbar wie kunsthistorisch von überregionaler Bedeutung ist: Die so genannte Wolfskirche. Erhalten ist von der ehemaligen Feldkirche, die zu Beginn des 14. Jahrhunderts erbaut wurde, nur noch der rund 17 Meter hohe Turm. In seinem Erdgeschoss haben mittelalterliche Wandmalereien die Jahrhunderte überdauert, denen das Bauwerk seine herausragende Bedeutung verdankt.
Dendrochronologische Untersuchungen der beim Bau der Kirche verwendeten Hölzer belegen eine Bauzeit um das Jahr 1310. Damals wurde die Feldkirche zwischen den Dörfern Bosenbach, Friedelhausen und Niederstaufenbach errichtet und war deren geistiges Zentrum. Beim Bau der Kirche wurden unter anderem so genannte Spolien verwendet, also Baumaterial, das von einer römischen Villa aus der Umgebung stammt. Aus römischer Zeit stammt auch eine Skulptur, die heute in der Kirche aufgestellt ist und der die Kirche ihren „falschen“ Namen verdankt. Sie zeigt eigentlich einen Löwen, der ein anderes Tier, wohl einen Esel, reißt. Da, so wird vermutet, den hiesigen Menschen im 14. Jahrhundert nicht bewusst war, wie ein Löwe ausschaute, vermuteten sie, bei dem Raubtier handele es sich um einen Wolf, der der Kirche zu ihrem volkstümlichen Namen verhalf. Darum rankt sich sogar eine Sage, die bis heute überliefert ist. So heißt es, dass der Wolf einst ein Schaf gejagt habe, das sich in die Kirche flüchtete und dort gestellt wurde.

Ihre überregionale Bedeutung verdankt die ehemalige Kirche allerdings nicht der kleinen römischen Skulptur sondern den Wandmalereien, die sich im Erdgeschoss des Turms befinden. Dort war einst der Chorraum der Kirche untergebracht, in dem auch der Altar stand. Überspannt wurde der „wichtigste“ Bereich der Kirche durch ein Kreuzgewölbe, dessen Decken und Wände man mit so genannten Seccomalereien verziert hat. Bei dieser Maltechnik werden die Farben auf den trockenen Wandputz aufgetragen – im Gegensatz zur Frescomalerei, bei der die Farbpigmente auf den noch feuchten Putz aufgetragen werden. Die Bezeichnungen kommen aus dem Italienischen in dem a secco so viel wie „aufs Trockene“ bedeutet – und a fresco „ins Frische“ meint.

Entstanden sind die Wandmalereien, so die Forschung, kurz nach dem Bau der Kirche zwischen 1320 und 1340. Sie bedeckten alle vier Wände des Untergeschosses und die Felder des Kreuzrippengewölbes. Auch an den Gewölberippen und am Rahmen des Ostfensters sind Malereien sichtbar. Das zentrale Thema ist das Weltgericht, bei dem Christus im östlichen Gewölbefeld als Weltenrichter dargestellt ist. Zu sehen sind weiterhin zwei Engel sowie die beiden knienden gestalten von Maria und Johannes dem Täufer. Zu beiden Seiten des östlichen Turmfensters kann man zudem den Zug der Seeligen zur Himmelspforte und auf der anderen Seite eine Gruppe von Verdammten mit dem Teufel erkennen. Während die Darstellung des Weltengerichts mit Christus als Richter für mittelalterliche Wandmalereien eine Art „Standartprogramm“ darstellt und an sich nichts wirklich „Besonderes“ sind, zeigt das westliche Gewölbefeld die eigentliche Sensation, für die die Wolfskirche in Fachkreisen geradezu berühmt ist. Zu sehen ist dort, wie Jesus auf einem Esel reitet. Dieses Bild erinnert zunächst an den Einzug Christi in Jerusalem zu Beginn der Passion. Allerdings hält er in einer Hand ein Stabkreuz mit einer Fahne, was darauf schließen lässt, dass das Bild den auferstandenen Messias zeigt, was in der christlichen Kunst eine überaus seltene Symbolik darstellt. Ähnliche Abbildungen sind nur sehr wenige überliefert, beispielsweise im Gewölbe der Krypta in der Kathedrale von Auxerre. Demnach verfügt die Wolfskirche also über einen echten „Hingucker“.

Ähnlich wie in der Kirche in Rothselberg haben die Malereien in der Wolfskirche die Jahrhunderte nur überdauert, da sie im 16. Jahrhundert im Zuge der Reformation unter einer dicken Schicht Wandputz verschwunden sind. Im Gegensatz zur Rothselberger Kirche wurden sie allerdings nicht bei einer Innenrenovierung eher zufällig „wiederentdeckt“ sondern dadurch, dass der bauliche Zustand des Kirchturms – das Langhaus der Kirche hatte man schon 1835 abgerissen, da es baufällig war – in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts derart schlecht war, dass Teile des Putzes abgefallen waren und sich darunter die Reste der vergessenen Wandmalereien zeigten. 1952/53 wurden die Wandmalereien im Turmuntergeschoss erstmals wieder freigelegt. Dabei wurde es allerdings versäumt, sie dauerhaft vor der Witterung zu schützen. Beschädigungen durch eindringende Feuchtigkeit waren die Folge, es drohte die endgültige Zerstörung. Von 1985 bis 1989 fand deshalb eine umfassende Restaurierung des Gebäudes statt. Vordringliche Aufgabe war es, den Turm vor eindringender Feuchtigkeit zu schützen, unter anderem durch ein neues Dach und Drainagen. Während dieser Maßnahme wurden auch die erhalten gebliebenen Fragmente der Bemalung gesichert und konserviert. Damals wurde der Turm auch verputzt, weshalb die meisten römischen Spolien im Mauerwerk nicht mehr zu sehen sind. Leider konnten die Arbeiten Ende der 1980er Jahre nicht ganz verhindern, dass sich der Zustand der Malereien in den zurückliegenden 35 Jahren weiter verschlechtert hat und sie zunehmend verblassen – darauf lässt zumindest ein direkter Vergleich mit den Fotos schließen, die in einem kleinen Bildband zur Kirche veröffentlich sind. Wer sich für die Malereien interessiert, sollte also besser bald der Wolfskirche einen Besuch abstatten.
An den Turm der Kirche wurde 1969 eine Aussegnungshalle errichtet, der Friedhof, der sich um die Kirche befindet, wird nach wie vor von Bosenbach genutzt und befindet sich in einem parkähnlichen sehr ansprechenden Zustand und ist an sich schon ein Abstecher wert.

Weitere Infos auf https://bosenbach.de/wolfskirche/

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