– Ein Besuch der Naturerlebnislandschaft „Erdekaut“ –
Unser heutiger Ausflugstipp verweist auf eine für die Pfalz einmalige Kulturlandschaft. Wir besuchen eine Industriebrache, in der vermutlich seit der Römerzeit die ursprüngliche Landschaft von Menschenhand umgeformt wurde – zunächst in eher kleinem Maßstab, spätestens seit der Gründerzeit und der Blüte der Montanindustrie im damaligen Deutschen Reich im industriellen Stil. Zu den Hochzeiten der industriellen Ausbeute waren die in der Region vorkommenden seltenen Rohstoffe die Grundlage für mehrere tausend Arbeitsplätze – und sorgen heute für ein einmaliges Rückzugsgebiet seltener Tiere und Pflanzen.
Wir unternehmen einen Abstecher zur Naturerlebnislandschaft „Erdekaut“ zwischen Eisenberg (Donnersbergkreis) und Hettenleidelheim (Kreis Bad Dürkeim). Das rund zehn Hektar große Naturschutzgebiet bildet den Kern eines mehr als 60 Hektar großen Areals zwischen den beiden Gemeinden, in dem noch bis knapp vor der Jahrtausendwende Ton abgebaut wurde.
Der Begriff „Erdekaut“ stammt aus einer Zeit, in der die verschiedenen Tonarten noch „Erden“ genannt wurden. Vermutlich war die Erdekaut bereits ab der Römerzeit und das ganze Mittelalter hindurch ein Abbaugebiet. Bis ins 19 Jahrhundert hinein erfolgte die Ausbeutung der Bodenschätze quasi im Nebenerwerb durch die Bauern, denen die Äcker in dem Gebiet gehörten. Zur damaligen Zeit reichte es im Raum Hettenleidelheim, die oberste Schicht Erde abzutragen, um an die Tonschichten zu kommen. Im ganzen Gebiet entstanden Bodenvertiefungen und Löcher (sogenannte Pingen). Diese Gruben wurden im allgemeinen Sprachgebrauch als „Kauten“ bezeichnet. Die Arbeiter, die den Ton abbauten, wurden im 18. Jahrhundert „Erdegräber“ genannt. Aus diesen Begriffen bildete sich das zusammengesetzte Wort Erdekaut.
Die ersten industriell genutzten Gruben entstanden ab dem 1880er Jahren. Die gewonnenen Tone waren wegen ihrer ausgezeichneten Qualität ein prädestinierter Werkstoff für die Schamotte- und Eisenverhüttungsindustrie. Aus den Tonen wurden hochfeuerfeste Steine produziert, mit denen unter anderem die Schmelzpfannen in den Stahlwerken ausgekleidet wurden. Im ausgehenden 19. Jahrhundert arbeiteten mehr als 800 Arbeiter in über 30 Gruben in der Erdekaut, in der in Eisenberg und Hettenleidelheim entstandenen Feuerfestindustrie bis in 1970er Jahre hinein mehrere 1000 Menschen. Der Niedergang der Montanindustrie bedeutete auch das Aus für den Tonabbau, die letzte Grube wurde 1996 stillgelegt.
Nach Ende des Abbaus eroberte sich die Natur die Fläche zurück und es entstand eine einmalige Naturlandschaft. Als Bergbaufolgelandschaft war die Fläche sehr artenreich und bot einen Lebensraum für besondere Tier- und Pflanzenarten. Insgesamt sind im Landschaftsschutzgebiet Erdekaut etwa 40 bis 60 Prozent der in Rheinland-Pfalz vorkommenden Pflanzen beheimatet. Das Potenzial der Bergbaufolgelandschaft wurde erkannt und als zu wertvoll befunden, um es der zunehmenden Verwilderung zu überlassen. 2003 wurde deshalb von den beiden Gemeinden Eisenberg und Hettenleidelheim der „Zweckverband Erdekaut“ gegründet. 2008 konnten mehr als zehn Hektar der Erdekaut als Erlebnislandschaft eröffnet werden. Durch die Renaturierung des Gebietes entstand ein bedeutendes Landschaftsschutzgebiet. Neben einer Vielfalt an Flora und Fauna bietet das Gebiet beispielsweise der Gelbbauchunke, einer vom Aussterben bedrohten Tierart, einen Lebensraum. Das einst karge Abbaugebiet ist heute teils wieder dicht bewachsen. Die ehemaligen Tongruben haben sich mit der Zeit in kleine und große Weiher verwandelt. Weitere kleine Gewässer bildeten sich durch das Absacken der Unterirdischen Tonstollen.
Heute erinnert nur noch wenig an die ehemalige Bergbaunutzung der Erdekaut. Eine Ausnahme ist die ehemaligen Grube Riegelstein. Sie war von 1920 bis 1996 in Betrieb und wurde in ein Bergbaumuseum umgewandelt. Zudem dient das Industriedenkmal als Ausgangspunkt für Gästeführungen und als Informationszentrum. Erschlossen ist das Gebiet durch drei Rundwanderwege mit Aussichtspunkten, deren Start- und Endpunkte an dem Bergwerk liegen. Entlang der Wege sind Informationstafeln aufgestellt, die die wichtigsten Aspekte der Landschaft erörtern. Einige Stege ermöglichen das beobachten der Teichfauna, es gibt Ruhebänke in überaus reichlicher Zahl, außerdem in einem Nebengebäude bei der Grube sogar eine öffentliche Toilette, die auch an Werktagen geöffnet ist. Auch Kinder kommen auf ihre Kosten: Für sie gibt es gleich zwei Spielplätze, einen Riesenrutsche und den angeblich größten Sandkasten der Pfalz.
Gut gelungen sind die begleitenden Informationen im Internet, die man sich mittels QR-Codes direkt vor Ort auf das Smartphone laden kann und die beispielsweise einen virtuellen Rundgang durch das Bergbaumuseum ermöglichen.: https://vr-easy.com/tour/kuladigrlp/210422-bergbaumuseum/
Die Naturerlebnislandschaft liegt an der B 47 zwischen den beiden Gemeinden. Direkt an der Bundesstraße gibt es einen leider nur sehr kleinen Wanderparkplatz, von dem aus es nur wenige Meter bis zur Grube Riegelstein sind. Weitere Parkmöglichkeiten bestehen in Eisenberg am Friedhof sowie in Hettenleidelheim in der Gaswerkstraße, von wo aus der rund einen Kilometer langen Weg zur Erdekaut gut ausgeschildert ist. (von J. Link)